Sonntag, 26. August 2012

Lindental

Obed und Michi schworen sich nach ihrem letzten und bisher einzigen Lindental-Bouldertag bald zurückzukehren. Heute ist es endlich so weit und das Wetter zeigt sich viel freundlicher. Die Lochparade wiederholen wir, es geht viel lockerer als im Winter. Es ist schon angenehmer, wenn noch ein bisschen Gefühl in den Füssen ist. Unser Projekt von damals, L'Énigme, können wir jetzt praktisch auf Anhieb durchziehen. Matthias muss man sowieso nicht zweimal bitten, er fetzt den Boulder problemlos weg. Peter und Lars, beides Lindental-Neulinge, kletterten neben der Lochparade auch Bloc à Robi. Natürlich finden wir auch genügend neue Projekte, aber für mehr Erfolge hat die Zeit leider nicht mehr gereicht. Aber wir kommen wieder.


Samstag, 18. August 2012

Gimmelwald

Gimmelwald ist das Hardmover-Mekka der Schweiz. Nirgendwo sonst ist die Konzentration an harten Routen derart hoch. Obed kann endlich sein altes Projekt Femme Rouge wegzwicken. Diese Route hat er immer zum Ausklettern probiert. Heute gibt er den Go schon mal früher und prompt klappt es ziemlich locker mit dem Durchstieg. Matthias fliegt bei seinem Versuch in Trümmelbach zuoberst raus. Die richtige Lösung war nicht mehr ganz im Kopf, darum gibt es einen zweiten Go. Wieder kommt er zurselben Stelle, doch mit dem Beta im Kopf fliegt er problemlos darüber hinweg. Nachher ist Zeit für härtere Projekte. Der Heimweg entpuppt sich wie so oft als der grösste Fight des Tages. Schlussendlich sind wir doch alle ganz zu Hause und kochen gemütlich ein fettes Essen zur Stärkung für den morgigen Tag.


Freitag, 17. August 2012

Sustenbrüggli

Beni, Philipp und Michi versuchen heute vor der Sommerhitze zu flüchten. Erlösung verspricht das hochgelegene Bouldergebiet Sustenbrüggli. Jedoch sind sogar hier die Verhältnisse tropisch. Unser geplantes Projekt, den Propellerhead, geben wir schnell auf, da wir am grossen Sloper chancenlos abrutschen. Sogar der viel einfachere Dynamo auf der schattigen Rückseite fordert uns bei diesen Conditions. Michi reisst sich im Flash die halbe Haut vom Finger, als er kläglich abkratzt. Dieser Boulder gelingt dann wenigstens mit der rechten Lösung. Ein selber definierter Dynamo an einen riesigen Henkel lässt sich auch jetzt bestens klettern. Am Nachmittag versuchen wir uns am Sloper-Testpiece Dragan (Bild oben). Michi kann sich seriös eine Begehung sichern, bevor wir dieses schöne alpine Bouldergebiet wieder verlassen.


Sonntag, 12. August 2012

The Trip Part II: Silvapark


Der erste Teil unserer Woche verbrachten wir im Magic Wood. Am Donnerstag verlassen wir den magischen Wald und fahren nach Chur. Hier rüsten wir unsere Futterreserven mächtig auf. Über Feldkirch und Bludenz gelangen wir ins Montafon. Das Tal zieht sich gewaltig in die Länge und es dauert seine Zeit, bis wir Partenen ereichen. Dass unser sowieso schon stark verpixelter Googe-Earth-Ausdruck leider auch noch nass geworden ist, macht die Orientierung deutlich interessanter. Um weiter zu fahren zahlen wir vierzehn Euro und nach einer steilen Kurvenstrasse sehen wir einen Stausee. Im Kletterführer steht auch etwas von einem Stausee und so wähnen wir uns am Ziel. Irgendwann wird uns klar, dass wir erst am Vermuntsee sind und wir zum Kopsstausee wollen. Über die Bielerhöhe fahren wir ohne weiteren Probleme dorthin. Es herrscht eine episch anmutende Wolkenstimmung. Das beunruhigt uns, da wir kein Zelt dabei haben und das Auto sich nicht eignet, um darin zu übernachten. Doch gerade als wir unser Abendessen fertig gekocht haben, fallen die ersten Tropfen vom Himmel. Wir stopfen alles Material auf die Vordersitze und zwängen uns in den Kofferraum. Ziemlich viele nette Krabbeltiere haben ihre Chance, vor dem Regen zu flüchten, wahrgenommen und haben es sich schon gemütlich gemacht. An erholsamen Schlaf ist nicht zu denken. Alle paar Minuten muss man sich drehen, da immer irgendwo etwas drückt. Entweder sind die Beine oder der Kopf abgeknickt. Das ist mal eine nette Begrüssung in der Silvretta.

Am nächsten Tag empfängt uns aber strahlender Sonnenschein. Die Motivation ist schlagartig wieder da und nach dem gestrigen Beinahe-Ruhetag sind wir auch beinahe wieder ausgeruht. Beim Zustieg ins Gebiet kommen wir schon mal ziemlich ins Schwitzen. Wir gelangen in den Sekten Sektor, wo uns gleich ein markantes Dach ins Auge sticht. Es ist der Thor-Block. Solche grossen Griffe im steilen Gelände mit diesem Fels habe ich noch nicht so oft gesehen. Wir probieren gleich Odin und kommen schon bald Gesellschaft von einem Schweizer und zwei Deutschen. Die Schwierigkeit beschränkt sich auf einen einzigen Längenzug oder viel mehr auf das Auflösen dieses Zuges. Die natürliche Körperspannung, also die, welche man auch ohne Training hat, reicht uns gerade knapp für den Durchstieg. Thor selber entpuppt sich, obwohl leichter bewertet, als schwerer. Der Längenzug hier ist ein dynamischer Schnapper an eine nicht sichtbare Leiste. Mit ein bisschen Pech könnte man sich hier schon die Haut ruinieren. Wir haben Glück, treffen die Leiste und sind noch fit für weitere scharfe Leisten. Cobra ist viel einfacher als wir erwartet hätten, einfach ein netter kleiner Boulder, aber nichts besonders. Eine Linie, dass beim ersten Blickkontakt der Atem aussetzt, ist dafür Zu Jung um zu Sterben / Too Young To Die. Scharfe positive Leisten ermöglichen den Durchstieg dieser leicht überhängenden Wand. Scheinbar ein Kantenboulder, muss die Kante nirgends zwingend gehalten werden. Da wir noch recht jung sind, entscheiden wir uns für einen Go. Es sind sowieso derart viele Matten am Einstieg, dass ein Sturz nicht sehr unangenehm wäre. Kurz unter dem Ausstieg erreicht man ein gutes Henkelband. Dort heisst es ruhig bleiben, hier bleibt erstmals Zeit zum Überlegen. Der Ausstieg entpuppt sich auch fast als listigste Stelle, sofern man nicht genau weiss, wie es geht. Mit einer Portion Adrenalin stehen wir aber am Schluss beide heil auf dem Block. Das war schon mal ein super Start in der Silvretta. Wir steigen weiter auf und durchqueren den Super Crack Sektor, wo wir kurz den Italian Summer klettern. Am Schuh des Manitou Block verweilen wir wieder länger. Nach einem Kampf mit dem Beta kann Michi schliesslich Squa Man punkten.

An diesem Abend finden wir einen viel gemütlicheren Platz zum Übernachten als am vorigen Abend. Super Aussicht, genug Platz und kein Regen - wir freuen uns über diesen Luxus und kochen und essen friedlich bis es dunkel wird. Am nächsten Morgen lassen wir die vom Tau nassen Pads in der Sonne trocknen, bis wir langsam den Zustieg wieder unter die Füsse nehmen. Yänu hat noch eine Rechung mit dem Squa Man offen und will alles tun, um diese zu begleichen. Mit viel Pech rutscht er aber wieder am letzten schweren Schnapper. Nach einer kurzen Pause zum Fokussieren steigt er diese schöne Kante aber souverän durch, Michi hält den Fight auf Video fest. Im Führer ist das Shanghai Syndrom als "Schmankerl" beschrieben. Das müssen wir uns genauer ansehen und kurze Zeit später haben wir auch diese technische Kante mit Heelhocks und sauberem Anstehen überlistet. Wir toben uns weiter im Super Crack Sektor aus. Michi klettert die Traverse Chamlet im zweiten Go und den Dyno Traumschiff flash. Ein Muss ist auch ein Foto vom Fotoblock, einer eindrücklichen überhängenden Kante. Yänu würgt sich die Golden Ramp hinauf, Golden Gate selbst ist leider nicht ganz in unserer Reichweite. Am gegenüberliegenden Block kann Michi mit Yänu's Tipps die harte Traverse Gautscho flashen. Der Start ist schwierig, danach wird es kontinuierlich einfacher. Kurz und leistenlastig ist Shorti, hier werden die Finger lang gezogen. Wir ziehen in den nächsten Sektor, wo vieles sehr verlockend aussieht. Rubber Gun scheint auf den ersten Blick einfacher, als es tatsächlich ist. Mit seriösem Auschecken des ersten Zuges klappt es aber. Alkatrac und Alcaträkker sind eine schöne Zugabe, athletische Züge in einer Traverse um den halben Block. Wir wollen kaum mehr aufhören, die Beach Kante sieht auch genial aus. Jedoch sind wir langsam doch müde und wollen morgen noch weiter klettern. Auch Yänu's Haut ist schon recht am Leiden und das schon seit dem ersten Klettertag...

Am letzten Tag spazieren wir an einer genialen Linie vorbei. Wir finden sie nicht im Führer. Also probieren wir einfach mal und entschlüsseln Zug um Zug. Als der beinahe perfekte Boulder geklettert ist, finden wir in doch noch im Führer. Es ist Thomahawk. Eigentlich nicht sehr schwierig, finden wir interessant, dass wir trotzdem unsere Zeit dafür gebraucht haben. Als meistens mit Guidebook bewaffnete Konsumboulderer schätzen wir diese mäjestetische Linie schwerer ein, als sie in Wirklichkeit ist und haben mehr Respekt. Eigentlich interessant, hätten wir den Grad gewusst, wären wir höchstwahrscheinlich schneller auf unsere direktere Lösung  gekommen, da wir uns gesagt hätten, dass es einfach gehen muss. Uns beiden schmerzt nach diesem Boulder die linke Schulter und wir flashen beide nur noch Simbat zum Abgewöhnen. Es waren ein paar geniale Tage, zuerst im Magic Wood, danach hier in der Silvretta. In Bouldergebieten trifft man oft nette Leute an. In der Silvretta waren es jedoch durchs Band extrem nette Menschen, die sehr hilfsbereit und freundlich waren. Das ist fast wichtiger als die Blöcke und spielt auch immer eine Rolle, dass einem ein Gebiet gefällt. Danke auf jedenfall für alles Nachschauen von Wetterberichten, empfehlen von Übernachtungsmöglichkeiten und auch dem Auffinden versteckter Boulderblöcke.

Donnerstag, 9. August 2012

The Trip Part I: Magic Wood

Für die zweite Augustwoche steht nach Céüse am Monatsanfang ein kleiner Bouldertrip auf dem Programm. Zu weit wollen wir nicht fahren, jedoch wollen wir auch nicht unbedingt in die nahen Passbouldergebiete der Zentralschweiz. So starten wir unsere Ferien im Magic Wood. Der Montag fällt aufgrund heftiger Regenfälle ins Wasser. Ab Dienstag sind wir on the Road...

Im Wald tropft es überall und wir befürchten, keinen einzigen trockenen Felsen zu finden. Unsere Angst ist jedoch unbegründet, ziemlich viel trocknete schon ab. Da Yänu das erste Mal hier ist und Michi keine offenen Projekte hat, beginnen wir einfach irgendwo zu Bouldern. Uns verschlägt es zum Space Cowboy. Der erste Move ist ein genialer Überkreuzzug an eine schlechte Leiste, die im Dead Point zugekrallt werden muss. Jeder Versuch bringt uns näher an die Leiste und ist diese erstmal in den Fingern, ist auch der ganze Boulder beinahe auf sicher.

Nach diesem ersten kleinen Erfolg suchen wir uns den nächsten Boulder. Ménage à Trois ist wieder ein komplett anderer Stil. Anstatt koordinativ wie der Space Cowboy fordert dieser Boulder vorallem die Fingerkraft. Von zwei schlechten Leisten muss ein besserer Griff erreicht werden. Mit der Sonne auf den Griffen ist Ménage à Trois für uns eine rechte Herausforderung. Michi verliert durch einen brutalen Abkratzer beinahe schon beim zweiten Boulder einen Fingernagel. Das weckt aber nur den absoluten Willen und mit diesem klappt der Boulder im nächsten Versuch. Uns gefällt es viele Boulder in verschiedenen Stilen zu probieren und wir ziehen gleich weiter zu Chiquita. Dieser Überhang wird mithilfe von Knieklemmern überlistet. Michi rutscht im ersten Versuch zuoberst raus, im zweiten Go kann er im letzten Moment den zweiten Knieklemmer versenken und sauber zum Henkel durchziehen. Yänu fightet sich mit einer ganzen Menge Knieklemmern hinauf, dafür ist nachher das Fleisch am Oberschenkel wiedermal an der frischen Luft. Ziemliche Fetzen Haut müssen liegengeblieben sein.

Das Kuchenmonster präsentiert sich als ziemlich harmlos Mönsterchen und Michi flasht es recht locker weg. Yänu macht auch kurzen Prozess mit diesem schönen Boulder und weiter geht es mit dem Fetten Fisch. Dieser Boulder ist Sinnbild für das erwinische Würgen. An komischen Seit- und Untergriffen presst man sich hinauf zur guten Kante. Klein und listig ist dieses Problem aber nach einigen Versuchen entdecken wir die richtigen Körperpositionen und überlisten es seriös. Da unser kleiner Gaskocher Ewigkeiten braucht, machen wir uns auf den Rückweg zum Zeltplatz. Projekte für morgen haben wir genügend im Kopf.

Am Morgen des 8. August will Michi gleich seinen ewigen Gegner, den Linserboulder, ein für alle Mal besiegen. Letztes Mal hatte Manu gezeigt, dass es möglich ist. Nun ist Michi an der Reihe und die paar Klettertage seit dem Scheitern zeigen ihre Wirkung. Mit vielen Flüchen und ohne eine grossartige Stilnote ringt auch Michi diesen Boulder nieder. Sofern auch wirklich am unterst möglichen Startgriff rechts hinten gestartet wird, ist dieser Linserboulder unserer Meinung nach sicher sehr hart für den Schwierigkeitsgrad.

Als nächstes kommen wir zum grossen Block beim Darkness-Roof. Wir wollen die Verbotene Frucht probieren, doch ein Zug im oberen Teil scheint uns rätselhaft. Beinahe wollen wir schon aufgeben, aber Michi findet plötzlich einen versteckten Henkel, der über einen langen Blockierzug erreicht wird. Im nächsten Go ist dieser Boulder in der Tasche. Als wir aufbrechen wollen, tauchen Jasmin und Jano auf. Ohne einen Versuch im Sündenfall dürfen wir nicht von diesem Block verschwinden, heisst es. Jano liefert wie gewohnt zu den Bouldermatten gleich das seriöse Beta dazu. Trotzdem braucht es einige Versuche um die athletischen Startmoves aneinanderzureihen. Ein ganz schöner Boulder...

Yänu muss natürlich auch mal den Superklassiker Enterprise sehen und Michi nutzt die Chance um mit Sammis Tipps gleich die No-Foot-Version Enterprise in Space zu klettern. Yänu battlet sich mit der normalen Version und gewinnt. Am Abend treffen wir Jasmin und Jano beim Bierbauch. Jano klettert diesen Überhang rasch onsight. Michi braucht viel länger und muss am Schluss die Knie zu Hilfe nehmen, um hier erfolgreich zu sein. Am Abend ist die Haut schon merklich dünner und am Donnerstag wäre ein Ruhetag eigentlich nicht schlecht. Trotzdem brechen wir nochmal in Richtung Wald auf und Michi kann mit dem Marihuana Corner eine alte Rechnung begleichen. So verlassen wir am Nachmittag dieses geniale Bouldergebiet in Richtung Österreich...

Sonntag, 5. August 2012

Céüse


Wird vom besten Kletterspot der Welt gesprochen, ist die Rede oft von Céüse. Weit über dem Tal zieht sich die Felswand hunderte Meter lang um den Gipfel des Montagne de Céüse. Die geniale Kletterei im löchrigen Fels und das einmalige Ambiente machen Céüse aus. Keine definierten Killerzüge in einer staubigen Höhle, sondern perfekte natürliche Linien - so muss Klettern sein.

Am Mittwoch, dem ersten August, läutet schon kurz vor fünf Uhr der Wecker. Unser Ziel ist natürlich ein Felsen und zwar nicht irgendeiner. Unser Ziel heisst Céüse und liegt momentan noch etwa 550 Kilometer oder gut sechs Autofahrstunden entfernt. Unser Fahrer ist einer jener gefährlichen Junglenker, die noch so gerne die Tempolimiten missachten und handkehrum am Steuer einnicken. Nach kurzen Orientierungsschwierigkeiten in heimischen Gefilden nehmen wir volle Fahrt auf und lassen die Schweiz schnell hinter uns. Die Fahrtechniken unseres Lenkers entpuppen sich entgegen aller Vorurteile als ziemlich seriös. Jedenfalls konnte auf dem Rücksitz friedlich geschlafen werden. Unsere Reise gerät auf den schmaleren Strassen durch das gebirgige Hinterland nach Grenoble das erste Mal ins Stocken, doch nun ist das Ziel beinahe schon erreicht.

When the sleepy driver's driving, there's no surviving.

Wir nehmen den kleinen Umweg über Orpierre in der Hoffnung, einen offenen Kletterladen zu finden. Natürlich ist der Laden geschlossen, aber der freundliche Besitzer lässt uns trotzdem rasch herein. In der Bar wird uns der Kletterführer und die neuesten Sektoren gezeigt. Wir haben das Gefühl, dass die einheimischen Kletterer uns um jeden Preis hierbehalten möchten. Leider können wir nicht überall gleichzeitig sein und so ziehen wir weiter nach Céüse. Plötzlich taucht weit oben die Wand auf und in der ersten Sekunde ist klar: Das, was wir hier sehen, ist mächtig. Die Vorfreude steigt. Wir treffen Matthias, nun sind wir zu viert unterwegs und wir starten zum einstündigen Zustieg. Vom Camping bis zur Wand gilt es zuerst gut fünfhundert Höhenmeter zu überwinden.

Der mediterrane Wald verdankt sein prächtiges Wachstum vorallem den Kletterern. Tagtäglich wird er während des Aufstiegs gleichmässig gewässert, denn die Sonne brennt gnadenlos an den südexponierten Hang. Für den Céüse-Aspirant gibt verschiedene Taktiken, die Herausforderung Zustieg zu bewältigen. Die Spannweite reicht von den eher rudimentären Lösungsansätzen wie dem aggressiven Einsatz von Wanderstöcken und dem walrossartigen Schnaufen bis hin zu jenen der klügeren Köpfe, die sich mit psychologischen Finessen einzureden versuchen, dass dieser Zustieg etwas Schönes sei. Auf jeden Fall gehört er zu Céüse und er scheint glücklicherweise von Tag zu Tag kürzer zu werden.

Genauso zu Céüse gehört die Qual der Wahl. In 14 Sektoren gibt es über 400 Routen. Wir entscheiden uns für den Sektor Demi Lune. Schon auf den ersten zwei Metern Ceüse-Kletterei müssen wir die Finger voll aufstellen. Unser Warm-Up heisst Bonnye and Clyde und ist gar nicht so einfach. Lapinerie ist der nächste Klassiker und die bessere Hälfte von Serious Climbing, sprich Obed, holt sich noch ein lockeres onsight der Carte Blanche. Er probiert zusammen mit einem freundlichen Chilenen Dures Limites, welche Matthias gerade erst vor Kurzem rupfte. Wir bleiben bis zum Eindunkeln oben bei der Wand. Da wir nicht jedes Mal alles hinaufschleppen wollen, machen wir ein Depot mit einigen Kletterutensilien. Im Grunde genommen ist das eine gute Sache, nur sollte man aufpassen, dass alles Überlebenswichtige wieder nach unten mitkommt. Wird dieses Gebot missachtet, laden die Hänge von Céüse auch zu ausgedehnten Nachtwanderungen ein...


Da die Sonne am Morgen direkt an die Wand scheint, ist am Morgen ausschlafen ohne schlechtes Gewissen angesagt. Gegen Nachmittag pilgern wir wieder hinauf zu den Felsen und klettern viele auch einfachere Routen. Wobei die einfacheren Routen hier oft gar nicht so einfach, aber dafür sehr schön sind. Nur muss leider bei den Routen im 6. Franzosengrad oft eine Zeit gewartet werden, da sie derart stark frequentiert sind. Obed und Matthias versuchen sich nach ihrer wunderschönen Aufwärmroute Angel Dust in ihren harten Projekten. Am Abend verspielt sich Obed mit sowieso schon müden Unterarmen im letzten schweren Zug vom Superklassiker Bourinator das Onsight. Es ist Zeit für den Rückzug, das dicke Abendessen wartet schon.


Am Freitag ist schon Ruhetag, auch wir werden älter. Wir verbringen den Tag in Gap, wo wir unsere Ausrüstung aufrüsten. Gewisse Leute holen sich für wenig Geld eine noch weniger vorteilhafte Frisur. Die Essensvorräte müssen wir aufgrund einer Vernichtungsmaschine unter uns auch noch auffrischen.

Der Samstag ist für Dama und Michi der letzte Klettertag, doch daran müssen wir das Positive sehen. Es heisst auch nur noch das letzte Mal den Zustieg zu bewältigen. In letzter Zeit sind wir (manche) zu richtigen Sportklettermemmis mutiert. Fluchtechnisch lernen wir den Ausruf "Is mir Latte", von einem Kletterer, der die Exen seines Kollegen nicht mehr ausräumen kann. Der Tag ist wieder genial, wir klettern bis spät am Abend. Michi versucht sich mit seiner noch weniger als sonst existierenden Ausdauer im Bourinator, aber tropft in der oberen Boulderstelle chancenlos ab. Für Obed ist der zweite Go Formsache und locker pullt er zum Umlenker durch. Durch die warme südfranzösische Nacht steigen wir ab zum Camping.

Am Sonntag geht es leider schon wieder heimwärts. Obed und Matthias beschliessen, einen Tag anzuhängen. Unsere Heimreise verläuft problemlos, ganz im Gegensatz  zu derjenigen unserer zweiten Gruppe. Unschuldig werden sie von der Polizei angehalten und auf unterstem Niveau behandelt. Leider ein Beweis, dass es sogar in einem Staat wie der Schweiz solche Ungerechtigkeiten geben kann. Abgesehen von diesem Negativerlebnis war der Céüsetrip super, Matthias' Cut darf natürlich bei den Minuspunkten auch nicht vergessen werden. Zwar haben wir nicht sehr viele Routen gezogen, dafür umso mehr über die Vor- und Nachteile des täglichen Duschens, des Ausziehens in eine eigene Wohnung und über andere Probleme des Alltags diskutiert... Merci.