Sonntag, 24. November 2013

Ticino

Die Session im Meiental war für uns der letzte Bouldertag nördlich des Gotthards in diesem Jahr. Zusammen mit Roby bin ich wenige Tage später wieder im Tessin unterwegs. Leider sind die meisten Blöcke nass und die Luftfeuchtigkeit ist hoch. Viele unserer Projekte können wir gleich wieder vergessen. Wir entscheiden uns irgendwann für einen Abstecher in den 101-Sektor und hoffen dort trockenen Fels zu finden. 
Konkret wollen wir « Worthless Everything » probieren. Diesen kleinen, kurzen Boulder haben wir beide schon früher versucht, jedoch noch nicht klettern können. Worthless Everything startet mit einem weitem Zug mit der linken Hand aus einem Hook an eine abschüssige Leiste. Für die rechte Hand gibt es einen Pinch rechts daneben. Der letzte Zug an die Kante ist schlussendlich der Schlüsselzug. Dieser Dyno fühlte sich während den ersten Versuchen speziell an, mit der Zeit ging es aber ziemlich gut. Mit dem linken Fuss konnte ich auf dem Tritt stehen bleiben. Obwohl das Intro zu diesem Dyno nicht lange ist, fühlt sich der Sprung vom Start her deutlich schwieriger an. Bei dynamischen Moves sinkt die Präzision immer schon bei geringster Ermüdung... In Worthless Everything ist jedoch nicht enorm viel Genauigkeit erforderlich, denn die Kante oben ist überall gut. Nach einigen Aufwärmversuchen gelingt der Sprung schliesslich (Bild unten), jedoch ohne dass der linke Fuss stehen bleibt. Worthless Everything ist anders als die meisten Linien im 101: ziemlich kurz, mit nur wenigen Moves. Diese wenigen Moves sind jedoch perfekt, darum lohnt sich der für Chironico-Verhältnisse lange Zustieg allemal.
Ein anderer sehr schöner Boulder ist « Quasimodo »  (Bild oben). Heute wird der Boulder meistens mit einem Hook links geklettert, aus dem sich direkt die Kante erreichen lässt. Die definierte, originale Version matcht jedoch am Sloper. Auf diese Art geklettert gehört Quasimodo zu den seltenen Bouldern, die mehr Kraft im Oberarm als in den Fingern brauchen.

Unser nächstes grosses Ziel ist Brione. Das dritte grosse Gebiet im Tessin neben Chironico und Cresciano liegt im Valle Verzasca. Da die Anreise deutlich länger ist haben wir uns immer für einen der beiden anderen Orte entschieden. Jetzt wollen wir uns endlich mal Zeit nehmen, auch Brione zu erkunden. Auf unserem Weg dorthin sinkt jedoch die Hoffnung mit jedem Meter, den wir ins Valle Verzasca hinauffahren. Alles ist triefend nass und tief verschneit. Sogar der Fake Pamplemousse Block ist teilweise nass und die Tophenkel sind randvoll gefüllt mit eiskaltem Schmelzwasser. Der Fels sieht zwar fantastisch aus, aber da wirklich alles nass ist, treten wir schnell den Rückzug an, ohne die Finken ausgepackt zu haben.
In der Dunkelheit erreichen wir Chironico und wärmen uns in Arabald und Super Otti auf. Marc freundet sich gleich mit dem athletischen Stil in der Höhle an. Die zweite Station unserer Nightsession liegt nur wenige hundert Meter entfernt. « Senza Denti »  ist der Klassiker an diesem Block. Ohne grosse Erwartungen kann ich den Boulder gleich flashen. Wir klettern alles, was trocken ist, und hoffen auf bessere Bedingungen am nächsten Tag.
Am nächsten Morgen ist zwar noch längst nicht alles, aber schon deutlich mehr, trocken. Wir wärmen uns am Fengshui Masters Block auf. Die Fengshui-Traverse, die links von Fengshui Masters aussteigt, entpuppt sich als gar nicht so einfach. Die Linie rechts von Fengshui Masters,  « Ragazzo Profumato » , bietet einige kräftige Züge an Seitgriffen. Danach ziehen wir weiter zum Made in Norway Block.

Die schmalen Leisten (Bild unten) von  « Made in Ticino » fühlen sich brutal scharf an, genau wie bei den letzten hoffnungslosen Versuchen vor zwei Jahren, nachdem ich Made in Norway geklettert hatte. Dieses Mal ist der Wille jedoch da, den Boulder ernsthaft zu versuchen. Nach den ersten Versuchen gewöhnen sich die Finger an die gnadenlos aufgestellte Position. Plötzlich gelingt der erste Zug, doch ich falle zuoberst, am Zug an den rettenden, guten Griff. Ich optimiere die Lösung für den oberen Teil und probiere nochmals den ersten, für mich schwierigsten Zug. Die Lust, noch länger an diesen messerscharfen Leisten zu hängen, ist klein. Auch die Haut hat schon arg gelitten und darum bin ich froh, diesen Boulder schnell abzuschliessen. Sebastian motiviert uns gegen Abend für den Lowball  « Kiss Me » . Der Kopf ist mittlerweile schon auf Pizza eingestellt und so müssen wir uns nochmals kurz anstrengen. Wenig später geniessen wir zufrieden die Pizza, ohne zu wissen, dass man hier nicht mit der Kreditkarte zahlen kann. Deswegen begeben wir uns nach dem Essen auf eine fröhliche Bankautomatsuche in den einsamen Dörfern der Leventina. Die Mission ist erst im zweiten Anlauf erfolgreich. Später können wir ein friedliches Konzert von Bärti geniessen, wo sich die Nerven wieder beruhigen.

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